„Mit unseren Bildern machen wir Orte visuell und emotional zugänglich“
Der Architekturfotograf Philip Kistner will Bauwerke visuell zum Leben zu erwecken und ihre einzigartige Gestaltung einfangen. Dabei ist die Fotografie für ihn mehr als nur ein Handwerk – sie ist eine Spurensuche. Ein Gespräch über die Faszination für Architektur, die Kunst der Rauminszenierung und die Herausforderungen der Arbeit in einem unberechenbaren Umfeld.
Werksgelände: Was macht man eigentlich als Architekturfotograf?
Philip Kistner: Als Architekturfotografen helfen wir Unternehmen aus der Baubranche, ihre Projekte visuell zu kommunizieren. Unsere Kunden sind Architekturbüros, Interiordesigner, Projektentwickler, Investoren oder Hersteller von Bauprodukten. Wir erstellen Fotografien und Filme, die die Geschichte eines Bauwerks erzählen. Sei es als Referenz für Wettbewerbe, zur Präsentation auf der eigenen Website oder in Fachartikeln. Eine Vielzahl von Bauwerken bleibt für die Öffentlichkeit verschlossen. Unsere Arbeit ist der Schlüssel zur Vermarktung dieser Projekte. Wir erleben Bauwerke überwiegend durch Bilder. Daher ist es unsere Aufgabe, diese Bilder so zu gestalten, dass sie die Einzigartigkeit eines Bauwerks transportieren. Selbst weltberühmte Gebäude kennen viele Menschen nur durch Aufnahmen. Mit unseren Bildern und Filmen machen wir solche Orte visuell und emotional zugänglich.
Welche Erfahrungen oder Talente sollte man für den Job mitbringen?
Zuallererst ist die Begeisterung für Bauwerke und deren Gestaltung entscheidend. Jeder Fotograf hat individuelle Schwerpunkte oder Interessen – sei es Möbelgestaltung, Innenarchitektur, Hochbau oder Wohngebäude. Alle diese Themen vereinen eins – die Freude an der visuellen Inszenierung von Architektur. Ein gutes Gespür für Rauminszenierung ist essentiell: Welches Licht erzählt die spannendsten Geschichten? Wie kann das Wetter Emotionen erzeugen? Es sind viele kleine Details, die ein Bild gelingen lassen. Neben dem Interesse an Gestaltung sind auch Menschenkenntnis und Humor wichtig. Menschen nutzen jedes Gebäude, und oft brauchen wir deren Unterstützung – sei es ein Facility-Manager oder ein freundlicher Anwohner.
Der Beruf erfordert auch Durchhaltevermögen, da die besten Lichtverhältnisse häufig bei Sonnenaufgang oder -untergang vorkommen, was lange Arbeitstage bedeutet. Gleichzeitig bietet der Beruf Zugang zu außergewöhnlichen Orten und ermöglicht es, neugierig zu sein. Reisen und Flexibilität sind ebenfalls Teil des Berufs, da wir beispielsweise auf Wetterbedingungen oder Bauverzögerungen reagieren. Diese Arbeit ist ideal für Menschen, die Herausforderungen lieben.
Für mich ist Fotografie eine Art Spurensuche.
- Philip Kistner
Was reizt Dich an Deinem Beruf?
An meinem Beruf liebe ich die intensive Auseinandersetzung mit guter Gestaltung. Ich habe eine besondere Vorliebe für die Architektur der 1960er Jahre und Themen wie Wohnen, Möbel, Kunst und Design. Es ist eine Freude, diese Qualität in Projekten wie Bürogebäuden, Villen oder anderen Bauwerken zu erleben. Fasziniert bin ich auch von den Geschichten und Menschen hinter den Bauwerken. Wer baut sich eine minimalistische Villa? Welche Überlegungen hatte der Architekt beim Entwurf? Wie ging er mit dem Grundstück um? Für mich ist Fotografie eine Art Spurensuche. Besonders reizvoll ist die Verbindung von Kreativität und Unternehmertum: Ich schaffe kreative, wertvolle Arbeiten, die Unternehmen in ihrer Kommunikation unterstützen und kann gleichzeitig eigene Visionen und Projekte umsetzen.
Was sind die größten Herausforderungen in Deinem Job?
Die größte Herausforderung in meinem Beruf ist die Unplanbarkeit. Architekturfotografie hängt von vielen Faktoren ab, wie dem Baufortschritt, der Vegetation und dem unvorhersehbaren Wetter. Auch spontane Wünsche von Anwohnern oder rechtliche Einschränkungen, wie beim Drohnenflug, können die Arbeit beeinflussen. In solchen Situationen gilt es, trotz der Umstände eindrucksvolle Bilder zu produzieren. Für mich erfordert der Beruf Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, flexibel auf Veränderungen zu reagieren.
Was war Dein bisher größter Flop im Job, und was hast Du daraus gelernt?
Glücklicherweise bin ich bisher von größeren Katastrophen verschont geblieben. Eine witzige Situation brachte jedoch mal eine Fotoproduktion an der österreichisch-deutschen Grenze durcheinander. Ich sollte den Innenausbau einer dort ansässigen Brauerei fotografieren und flog im Winter von Düsseldorf nach Salzburg. Kurz vor Salzburg drehte der Flieger wegen schlechtem Wetter jedoch um und flog direkt zurück nach Düsseldorf. Das war meine erste „Düsseldorf-Düsseldorf“-Verbindung! Mein Kunde war überrascht, als ich ihm erklärte, dass ich wieder am Startflughafen gelandet war. Wir nahmen die Situation mit Humor und verschoben die Produktion um eine Woche.
Natürlich können immer Dinge schiefgehen, aber bei uns herrscht eine gute Fehlerkultur, sodass wir aus jeder Situation lernen. Rückblickend war mein größter Fehler, dass ich nicht früher Mitarbeiter eingestellt habe. Viele Jahre arbeitete ich 70-Stunden-Wochen und war permanent unterwegs, ohne die Unabhängigkeit abgeben zu wollen. Inzwischen habe ich ein eingespieltes Team, das mir den Rücken freihält, und wir kommen schneller zu guten Ergebnissen. Würde ich heute fünf Jahre zurückgehen, würde ich definitiv früher ein eigenes festangestelltes, hochqualifiziertes und motiviertes Team aufbauen.
Philips Tipps für den Nachwuchs
Ich habe mehrere Tipps, die ich in zwei Bereiche aufteilen möchte:
Auf professioneller Ebene ist mein wichtigster Rat, die sich verändernde Medienwelt genau zu beobachten. Die Architekturfotografie entwickelt sich stetig weiter. Deshalb ist es wichtig, sich an neue Erzählformen wie Video, Stories und Reels sowie verändertes Mediennutzungsverhalten anzupassen. Offenheit gegenüber neuen Formaten ist hierbei unerlässlich.
Auf persönlicher Ebene rate ich, geistig flexibel zu bleiben. Sei Dir bewusst, dass Deine Wahrnehmung oft nur eine Reflexion Deiner eigenen Sichtweise ist. Die Welt ist oft komplexer und weniger eindeutig, als sie auf den ersten Blick scheint. Ich empfehle, sich ständig selbst zu hinterfragen und nach Optimierungsmöglichkeiten für Prozesse, Dienstleistungen und Angebote zu suchen. Sich kritisch mit dem eigenen Schaffen auseinanderzusetzen fördert nicht nur die persönliche Entwicklung, sondern auch die Qualität der Arbeit.
Philip Kistner
… erlangte den Master of Arts in Fotografie an der Fachhoschule Dortmund. Seit 2008 arbeitet er als selbstständiger Architekturfotograf und hat das Unternehmen Philip Kistner Fotografie & Film GmbH gegründet.
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