17. Oktober 2025
Datenjournalistin Sandra Liermann

Welche Geschichten erzählen Daten?

Als Datenjournalistin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung arbeitet Sandra Liermann an der Schnittstelle zwischen Statistik und Storytelling. Durch die Auswertung großer Datensätze zeigt sie mit ihrem Team Muster auf, beispielsweise zu Dürren in verschiedenen Regionen Deutschlands oder dem Männerüberschuss in ländlichen Gebieten im Osten.

Werksgelände: Was macht man eigentlich als Datenjournalistin bei der FAZ?

Konnten sich unsere Eltern mit ihrem Gehalt früher wirklich so viel mehr leisten als wir heute? Was genau passiert mit unserer Umwelt, wenn es wochenlang nicht regnet? Wie wirkt es sich auf das gesellschaftliche Zusammenleben aus, wenn in einem Ort deutlich mehr Männer als Frauen leben? Wir Datenjournalist:innen wollen Antworten finden und Geschichten erzählen, die sich in Datensätzen verstecken: Dafür arbeiten wir als Schnittstelle zwischen Journalismus, Statistik und IT. Wir recherchieren, analysieren und visualisieren große Datenmengen, um komplexe Themen verständlich und anschaulich darzustellen – ob in interaktiven Grafiken, Storytelling-Formaten oder neu entwickelten Web-Anwendungen.

Welche Erfahrungen oder Talente sollte man für den Job mitbringen?

Wer als Datenjournalist:in arbeiten möchte, sollte vor allem neugierig sein und Spaß daran haben, sich in große Datensätze einzuarbeiten. Recherchekompetenz, ein gewisses technisches Knowhow und kritisches Denkvermögen sind ebenfalls wichtig, um Daten zu finden, Erkenntnisse daraus zu ziehen und ihre Aussagekraft zu bewerten. Statistische Grundlagen und erste Programmierkenntnisse – zum Beispiel in Python oder R – sind von Vorteil, ebenso Erfahrung mit Visualisierungstools.

Ich finde es toll, dass ich mich mit so vielen unterschiedlichen Themen beschäftigen und mithilfe von Daten die Welt aus neuen Perspektiven zeigen darf.

- Sandra Liermann

Was reizt Dich an Deinem Beruf?

Ich mag es, wenn Zahlen plötzlich eine Geschichte erzählen. Außerdem gefällt mir die Abwechslung in meinem Arbeitsalltag, von dem ich morgens nie weiß, was er bringt: Wenn uns eine Eilmeldung erreicht, muss ich unter Zeitdruck eine gut verständliche Grafik erstellen. An anderen Tagen kann ich mich stundenlang durch Datensätze wühlen, verschiedene Analysemethoden testen oder interaktive Anwendungen entwerfen.

Was sind die größten Herausforderungen in Deinem Job?

Das Ergebnis meiner Arbeit steht und fällt mit der Qualität der Daten, auf die ich zurückgreifen kann. Oft sind Datensätze jedoch unvollständig, verzerrt oder schwer zugänglich. Die Idee für ein datenjournalistisches Projekt kann noch so toll sein – manchmal scheitert es daran, dass es schlichtweg keine passenden Daten gibt.

Was war Dein bisher größter Flop im Job, und was hast Du daraus gelernt?

Mein größter Flop war ein Datenprojekt, das viel zu umfangreich und ambitioniert war und bei dem wir uns so lange in der Recherche von nicht vollständigen Datensätzen verrannt haben, bis letztlich alle Beteiligten total frustriert waren. Es hat geholfen, mit Kolleg:innen, die nicht involviert waren, zu überlegen, an welchen Stellschrauben man drehen kann, um das Projekt mit weniger Aufwand umzusetzen. Dabei haben wir gemerkt, dass wir manchmal vor lauter Liebe zum Detail vergessen, wie spannend auch scheinbar unspektakuläre Ergebnisse für unsere Leser:innen sein können.

Tipps

Sandras Tipps für den Nachwuchs

Probiert euch aus! Testet Visualisierungstools, spielt mit Datenquellen herum und findet heraus, ob euch Programmieren Spaß macht. Dafür gibt es tolle kostenlose Online-Kurse, die sich auch an absolute Neuanfänger richten: Ich habe vor einigen Jahren (als ich nie gedacht hätte, dass ich nur wenige Monate später schon als Datenjournalistin arbeiten würde) meine ersten Schritte mit einem Python-Kurs für Schüler:innen gemacht, um auch wirklich alle Basics zu verstehen.

Ansonsten gilt wie überall im Journalismus: Vernetzt euch miteinander! Hospitiert in verschiedenen Redaktionen, tauscht euch mit anderen Journalist:innen aus, besucht Konferenzen, tretet Online-Communities bei. Und am allerwichtigsten: Konzentriert euch auf das, was euch Freude bringt – sonst bleibt die Kreativität auf der Strecke.

Sandra Liermann

… ist als Datenjournalistin im Ressort Daten und Visualisierung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung tätig. Zuvor arbeitete sie in gleicher Position beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ und wurde 2023 mit dem „Hidden Star Award“ des „Medium Magazins“ ausgezeichnet.

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