01. Februar 2024
Technikvideos auf YouTube

Wirkt grüne Technologie unmännlich?

Laut, stark, männlich – so wird Technik auf den drei beliebtesten deutschen Tech-Kanälen auf YouTube präsentiert. Umweltfreundliche Aspekte treten dabei nicht nur in den Hintergrund, sondern werden zum Teil auch als „unmännlich“ empfunden. Das zeigt eine Studie der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Der Youtuber Felix Bahlinger liebt schnelle Autos. Vor allem die Elektro-Marke Tesla hat es ihm angetan. Auf seinem Kanal „Felixba“ präsentiert er sich mit seinem eigenen Auto, einem Tesla Model S. Er fährt damit über eine Rennstrecke, lässt es in extravaganten Farben lackieren oder modifiziert es mit teuren Bauteilen. Seine über 700.000 Abonnent:innen sehen ihm dabei regelmäßig zu. Neben den Teslas stehen Smartphones und andere Elektro-Geräte im Mittelpunkt seines Kanals.

Felix Bahlinger ist einer der Großen unter den deutschsprachigen Technik-Youtubern. In einer Erhebung der Social-Media-Agentur Hitchon aus dem Jahr 2023 belegt er Platz drei der deutschen Kanäle mit den meisten Abonnent:innen im Bereich Technik. Die ersten zehn Kanäle des Rankings haben – neben dem Schwerpunkt Technik – eines gemeinsam: Sie werden alle von Männern betrieben.

Technik von Männern für Männer

Technik-Content ist auf der bekannten Videoplattform stark männlich geprägt. Nicht nur die Technik-Youtuber:innen selbst sind überwiegend jung, weiß und männlich – auch in den Communities lässt sich eine Tendenz in diese Richtung erkennen. Das zeigen die Ergebnisse einer qualitativen Studie, die von Franziska Franken an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg durchgeführt wurde. Untersucht wurde die Darstellung von Männlichkeit in Technikvideos auf YouTube. Dafür analysierte Franken ausgewählte Videos der beliebtesten deutschsprachigen Accounts mit dem Schwerpunkt Technik inklusive der dazugehörigen Kommentarspalten. Zu den ausgewählten Kanälen aus dem Bereich „Tech-Influencer“ gehören der Kanal „AlexiBexi“, der Kanal „TuToTv“ sowie der Kanal „Felixba“.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Zwar werden Frauen innerhalb der Technik-Community auf YouTube nicht explizit ausgeschlossen. Eine stichprobenartige Untersuchung der Kommentarspalten unter Technikvideos ergab jedoch, dass deutlich mehr Accounts mit männlichen Attributen wie einem männlichen Namen oder einem männlichen Profilbild auf die Videos reagierten als Accounts mit weiblich gelesenen Attributen. Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Studie aus dem Jahr 2018, die den Zusammenhang zwischen Gaming-Content auf Youtube und männlicher Identitätsbildung untersuchte.

Infografik zur Verteilung von Geschlechtsmerkmalen

Abenteurer zwischen Godzilla und King Kong

Auch die in den Videos dargestellte Technik selbst verkörpert männliche Ideale. Zum Beispiel das des mutigen Entdeckers und Abenteurers, der im Umgang mit Technik Risiken eingeht. Da ist der Sportwagen, der über die Rennstrecke rast, der Industrieroboter, der mit gewaltig Kraft Autokarosserien auf das Förderband transportiert oder der Laptop, der mit inspirierenden Sprüchen aus der Raumfahrt verziert ist und den Nutzer:innen das Gefühl gibt, selbst bei einer Weltraumorganisation zu arbeiten.

Die Youtuber interagieren mit technischen Geräten, die stark und kraftvoll dargestellt werden. „Es ist warm, es ist laut, es ist jeden Tag was Neues“ – so beschreibt ein Arbeiter in einem Auto-Produktionswerk seinen Job. Der Interviewer: Youtuber Alexander Böhm, besser bekannt unter seinem Kanalnamen „Alexibexi“. Der 35-Jährige nimmt seine Zuschauer:innen mit durch die Autofabrik, zeigt ihnen die Produktionsstraßen und erlebt stellvertretend für sie die Technik vor der Kamera. Bei seinem Rundgang durch die Fabrik beschreibt der Tech-Youtuber auch einen Werkzeugwechsel: „Epische Vorgänge mit gigantischen Kränen, die tonnenweise Instrumente durch den Raum hieven“. Die Industrieroboter, die an diesen Abläufen in der Autofabrik beteiligt sind, wurden von den Arbeiter:innen nach den Leinwandmonstern Godzilla und King Kong benannt. Wer mit der Technik interagiert, so der Eindruck, kann sich selbst in die Nähe des archaischen Filmhelden rücken: Stark, heroisch, einem männlichen Ideal entsprechend.

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Technikerleben im Fokus

Weniger verbreitet ist das Klischee des „Nerds“, der sich vor allem theoretisch mit Technik auseinandersetzt. Der Umgang mit Technik wird in den untersuchten Videos überwiegend praktisch dargestellt. Als Qualifikation braucht es dafür lediglich Neugier und das natürliche Verlangen, Dinge auszuprobieren. Die Youtuber präsentieren sich in ihren Videos als Entdecker: Sie brauchen keine Anleitung, um Technik in Betrieb zu nehmen. Stattdessen testen sie intuitiv und teilen währenddessen ihre Erfahrungen mit ihren Zuschauer:innen. Häufig verbinden die YouTuber dabei ihre Technikerfahrungen mit positiven Emotionen. Auch wenn sie zunächst an den gezeigten Geräten scheitern, gelingt es ihnen durch ihren Tatendrang immer wieder, die Technik zu bezwingen und sie erfolgreich in Betrieb zu nehmen.

Die gezeigten technischen Geräte sind dabei selten gewöhnlich, oft hochpreisig und spektakulär. Neben dem Sportwagen zeigen die Youtuber ihren Zuschauer:innen Whirlpools, extravagante Bildschirme und teure Elektrogeräte mit Sonderausstattung. Konsum spielt in den Videos eine große Rolle. Vor allem in den weit verbreiteten „Technik-Reviews“, der Bewertung von Technik anhand ausgewählter Kriterien, werden neue, oft teure Geräte ausgepackt, aufgebaut und getestet. Häufig stehen Optik, die Haptik und die Extravaganz des Gerätes im Vordergrund der Bewertung. Die Funktionalität spielt in den meisten Fällen eine untergeordnete Rolle.

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Uneinigkeit bei Umweltaspekten

Umweltaspekte sind für eine gute Bewertung der vorgestellten Geräte von untergeordneter Bedeutung. Sie werden nur in sehr geringem Maße erwähnt und bewertet. So beispielsweise bei Felix Bahlinger und seinem Video über den Elektro-Sportwagen: Statt den Energieverbrauch auf der Rennstrecke zu hinterfragen, wird der Aspekt des Elektroantriebs allenfalls im Zusammenhang mit der stärkeren Beschleunigung thematisiert. Dennoch wird die gezeigte umweltfreundliche Technologie in der Community kontrovers diskutiert. Unter dem Video von Felix Bahlinger entspinnt sich eine Diskussion über die Männlichkeit von Elektroantrieben in Autos. Umweltfreundliche Elektroantriebe werden von einzelnen Kommentatoren als „nicht männlich genug“ bewertet. Andere kritisieren diese Einstellung: Trotz des umweltschonenden Antriebs habe ein solches Auto immer noch „Wumms“ und stehe in seiner Kraft einem Auto mit Verbrennungsmotor in nichts nach. Auch im Video selbst wird der Fokus deutlich. Felixba dreht Runden auf der Rennstrecke, spricht mit einem Begleiter über Beschleunigung, Handling, PS. Das aufregende Fahrgefühl, der Adrenalinkick und die luxuriöse Ausstattung überlagern die Umweltaspekte – sie werden nicht thematisiert.

Der männliche Blick auf Technik dominiert in den untersuchten YouTube-Videos. Trotz dieser eindeutigen Prägung gibt es Momente, in denen eine weibliche Perspektive in den Videos aufblitzt. Zum Beispiel bei Alexibexis Führung durch die Autofabrik: Am Ende des Videos zeigt sich, dass eine Frau hinter der Kamera stand. Sie war es, die die gewaltigen Roboter namens „Godzilla“ und „King Kong“ mit der Kameralinse eingefangen hat. Auch in einer von Männern dominierten Technikwelt gibt es also Raum für vielfältige Perspektiven und Erfahrungen. Hier bieten sich Lücken, die zu inklusiveren Darstellung von Technik und Geschlecht führen können.

Infos

Die Studie

Die vorgestellten Ergebnisse basieren auf einer Studie, die im Rahmen der Masterarbeit von Franziska Franken im Studiengang Technik- und Innovationskommunikation durchgeführt und im Juli 2023 an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg eingereicht wurde. Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die Darstellung von Männlichkeiten in Technikvideos auf der Online-Plattform YouTube.

Erstbetreuerin: Prof. Dr. Susanne Keil
Zweitbetreuerin: Prof. Dr. Tanja Köhler

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Franziska Franken

Franziska Franken

Franziska Franken wurde 1995 in Siegburg geboren. Sobald sie lesen konnte, verschlang sie alle Bücher, die sie in die Finger bekam – von tausendseitigen Fantasy-Wälzern über blutige Psychothriller bis hin zu Shakespeare. Schnell wurde ihr klar, dass sie selbst solche Geschichten erzählen wollte. Ihre erste Kurzgeschichte, die es in ein Buch schaffte, handelte von einem zerstörten Kriegerdenkmal in der Sowjetunion. Wenn sie nicht liest oder schreibt, findet man Franziska in ihrem Garten zwischen ihren Gemüsepflanzen.